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Ein Glücksfall namens Hitzlsperger.

Aktualisiert: 29. Sept. 2020

Wer sich auf dem Platz den Spitznamen „The Hammer“ erspielt hat, von dem erwartet man abseits des Spielfelds vielleicht auch eher ein martialisches Auftreten und laute Töne. Thomas Hitzlspergers Natur ist das nicht und das ist ein Glück, für seine Gegenüber im Gespräch und den VfB Stuttgart im Großen und Ganzen.


Ein VfB-Chef, der Taten statt Worte sprechen und anderen den Vortritt beim großen Auftritt lässt, das hat es so, mit Ausnahme vielleicht von Manfred Haas als Präsident (2000-2003), lange nicht mehr gegeben. Vielleicht noch nie.

Foto: Baumann



Dabei ist Thomas Hitzlsperger nicht nur ein Macher, vor allem ist er ein Andersmacher, nicht nur, als seine Vorgänger in der VfB-Führung, sondern auch im wohltuenden Vergleich mit der Branche an sich. Ihm geht es um die langfristige Sache und nicht um tagesaktuellen Applaus, die vorzeitige Vertragsverlängerung mit Pellegrino Matarazzo im Mai letzten Jahres ist eines der vielen Beispiele dafür.

Viel wurde gelästert und gezweifelt, als er nach einer „Turbo-Karriere“ in der Mercedesstraße in gerade mal guten 3 Jahren vom „Beauftragten des Vorstands in der Schnittstelle zwischen dem Lizenzspielerbereich und der Vereinsführung“ zum Vorstandsvorsitzenden der VfB Stuttgart 1893 AG katapultiert wurde. Am allerwenigsten hat er das wohl selbst geahnt oder geplant, aber er hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, mutig, vorurteilsfrei und neugierig. Und er hat es eben nicht dabei belassen, den prestigeträchtigsten und naheliegendsten Kernbereich Sport neu und zukunftsfähig aufzustellen.


Thomas Hitzlsperger hat, vielleicht als erster, auch die an den Schreibtischen beheimateten, elementar wichtigen Problemursachen beim VfB Stuttgart ausgemacht und vor allem, schneller als vielen im Vereinszentrum lieb war, angepackt:

1. Die Mannschaft um den Platz herum beeinflusst die Mannschaft auf dem Platz.


Natürlich ist die Lizenzspielermannschaft mit dem dazugehörigen Stab auch innerhalb des VfB ein Mikrokosmos mit eigenen Regeln, Bereichen und einem für „normale“ Mitarbeiter nur sehr eingeschränkten Zugang. Deshalb zu meinen, Arroganz, Phlegmatismus, Ignoranz und Hierarchiedenken in den weiß-roten Büros würde sich nicht mal mehr, mal weniger auf die Protagonisten in der Kabine übertragen, ist ein Fehler.


Thomas hat das sehr schnell erkannt, vielleicht auch, weil er einmal Teil der Mannschaft war, und er hat es sehr schnell geändert. Langjährige Mitarbeiter in der sportlichen Leitung und Mannschaftsverwaltung, die hausintern für Ihre Mißgunst und Empathielosigkeit gefürchtet waren, mussten das Haus verlassen oder wurden versetzt.


Dazu hat sich der neue Vorstandsvorsitzende einen persönlichen Stab zusammengestellt, der jung, modern und ohne „Altlasten“ arbeitet und kommuniziert. Auf die sportliche Verwaltung und das direkte Arbeitsumfeld folgt seit einigen Monaten die Gesamtorganisation.


Mit einem von ihm eingeleiteten Umstrukturierungsprozess, durchgeführt von der international renommierten Personalberatung Egon Zehnder, wird der über die Jahre wild-gewucherte weiß-rote Führungsapparat aus Direktoren, Bereichsleitern und Teamleitern schlanker, effizienter und professioneller aufgestellt werden. Dabei wird ihm der kulturelle Wandel genau so wichtig sein wie der organisatorische:

weg vom miteinander beschäftigen, hin zum miteinander für den VfB arbeiten.


2. Auf Ungemach von innen folgt Unruhe von außen, nicht andersherum.


Wurden bislang Unmut über der VfB Stuttgart und/oder seine Protagonisten geäußert, folgte intern der immer gleiche Reflex: man beschäftigte sich mit dem Absender anstatt mit dem Inhalt und setzte alles daran, diesen zu diskreditieren, möglichst zum Schweigen zu bringen, eine Veröffentlichung mit Zuckerbrot und Peitsche bei der (vor allem lokalen) Presse zu verhindern und vom (mitunter berechtigten) Thema abzulenken. Dino-Kommunikation vergehender Zeiten, getragen vom Verständnis von Kritik als Angriff, der mit allen Mitteln abgewehrt werden muss. Schacher-Pressearbeit, die Günstlinge begünstigt, kritische Stimmen wegignoriert und bei der der Boss auch mal selbst zum Hörer greift und in der Chefredaktion anruft um einen unangenehmen Artikel zu verhindern.

Das alles ist nicht Thomas Hitzlspergers Stil.


Gemeinsam mit e.V.-Präsident Claus Vogt, dem zweiten, inzwischen wohltuenden Andersmacher in der Mercedesstraße, hat er bereits heute für eine Außenwahrnehmung des VfB gesorgt, die bei den Fans ein lange und sehnlichst vermisstes Gefühl wieder aufleben lässt: Stolz. Dabei lässt der eine dem anderen den Raum glänzendes für den Brustring zu tun. Während Claus Vogt sich zum Gespräch mit seinem Mitbewerber um das Präsident-Amt Christian Riethmüller trifft oder an der Gründungsstätte des VfB Stuttgart eine entsprechende (und seit ca. 100 Jahren fällige) Gedenktafel enthüllt, kommuniziert Thomas Hitzlsperger aktiv und selbstkritisch zur Zukunft des Profi-Fußballs und lässt die Mannschaft in einem Trikot aus zu 100% recycelten PET-Flaschen auflaufen. Die weiß-rote Anhängerschaft traut ihren Augen und Ohren nicht vor Freude.


Noch vor kurzem waren Stimmen zu hören, die sagten, Thomas Hitzlsperger habe Glück gehabt, dass er Vorstandsvorsitzender beim VfB wurde. Nur die Trennung von Michael Reschke als Sportvorstand und der Rücktritt von Präsident Wolfgang Dietrich hätten ihm dies am Ende ermöglicht. Mehr und mehr stellt sich heraus, dass es der VfB ist, der Glück gehabt hat, mit Thomas Hitzlsperger. Man wünscht ihm den sportlichen Erfolg, der die Basis ist für alles und dass er eine Ära prägt beim VfB. Das wäre doch der „Hammer“.

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